Sind Anleihen OUT?

Anleihen stabiler Staaten bringen keinen Zins, Portugal und Co. sind zu riskant, Industrieanleihen sind zu teuer, Mittelstandsanleihen sowie High-Yield Bonds wiederum zu riskant und Anleihen für Schwellenländer haben das Beste hinter sich. Pfandbriefe sind gerade gar nicht mehr in der Diskussion. So in etwa stellt sich die Betrachtung der Wirtschaftspresse zu Anleihen im Sommer 2013 dar. In diesem und im folgenden Artikel wollen wir das Für und Wider einer Investition in Anleihen beleuchten. Und zwar zunächst ganz allgemein als Teil eines ausgewogenen Depots nach den Grundlagen der Asset Allocation und anschließend im heutigen Marktumfeld.

Ausgangsfrage: Warum kaufen Sie Anleihen? Oder doch lieber Tagesgeld?

Wichtig für Ihre Geldanlagestrategie in Anleihen ist zunächst die Frage des „Warum“, also des Anlage- oder Sparziels. Wenn Sie in Anleihen investieren, um stabile Erträge über einen längeren Zeitraum von zehn Jahren und mehr zu erzielen, muss Ihre Anlagestrategie anders sein, als wenn Sie für fünf Jahre auf ein neues Auto, eine Eigentumswohnung oder ein Haus sparen. Suchen Sie sehr hohe Renditen aus Anleihen, müssen Sie eher spekulieren, was wir aus der Sicht des Ansatzes der Asset Allocation nicht betrachten wollen. Ferner lohnt sich eine Anleiheinvestition im Regelfall nicht, wenn Sie kleinere Geldbeträge für fünf oder weniger Jahre anlegen. Denn hier bieten Tages- oder Festgeldkonten vergleichbare oder manchmal sogar bessere Renditen. Interessanter werden Anleihen erst dann, wenn Sie Anleihen als Baustein eines Depots ab etwa 10.000 Euro verwenden wollen. Dann ist in jedem Fall der Erwerb von Anleihen als ETF über die Börse empfehlenswert.

Charakteristika von Anleihen

Anleihen sind Schuldverschreibungen von Emittenten. Üblicherweise weisen sie eine feste Laufzeit und einen festen Zins auf, der beispielsweise jährlich bezahlt wird. Darüber hinaus gibt es Anleihen mit variablen Zinsen, inflationsindexierte Anleihen und Anleihen mit Kündigungsrechten seitens des Emittenten, die wir im Folgenden nicht weiter betrachten. Der Zins einer Anleihe setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Der Laufzeit und der Kreditwürdigkeit (Bonität) des Anleiheschuldners. Um Geld für längere Laufzeiten aufzunehmen, muss der Anleiheschuldner üblicherweise höhere Zinsen bezahlen. Ferner zahlt ein schlechter Schuldner einen höheren Risikoaufschlag als ein sehr guter Schuldner wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Schuldner von besicherten Anleihen oder Pfandbriefen zahlen geringere Risikoaufschläge. Beide Preisbestandteile zusammengenommen ergeben den Nominalzins.

Rendite und Risiko von Anleihen

Der Nominalzins oder Kupon, wird auf den Nennwert einer Anleihe gezahlt. Davon zu unterscheiden ist der effektive Verdienst des Anlegers, die Rendite einer Anleihe. Diese errechnet sich aus dem bezahlten Preis bei Erwerb der Anleihe, dem Kurs, den periodischen Zinszahlungen einer Anleihe und dem Rückzahlungsbetrag. Zumeist werden Anleihen zu 100 Prozent des Nominalbetrages = Rückzahlungsbetrag begeben. Bestimmend für die weitere Kursentwicklung sind die Bonitätsentwicklung des Emittenten, der Risikoappetit der Anleger sowie die Zinsentwicklung auf den Geld- und Kapitalmärkten und damit natürlich auch das Verhalten der Zentralbanken.

Bonitätsrisiko

Das Bonitätsrisiko bezeichnet das Risiko, dass der Anleiheschuldner die Anleihe nicht zurückzahlen kann. Das Bonitätsrisiko einer kleinen Unternehmung gegenüber dem deutschen Staat als Schuldner ist allen Unkenrufen zum Trotz unmittelbar einsichtig. Als Orientierung gibt es die Klassifikation der Ratingagenturen von AAA = sicher bis D = Ramsch. Für fünfjährige Anleihen wird das zusätzliche Risiko einer Investition in Unternehmensanleihen mit BBB-Rating gegenüber Bundesanleihen mit AAA-Rating im August 2013 mit einer Zusatzrendite von etwas über ein Prozent entgolten (siehe hierzu die jeweiligen aktuellen Renditedifferenzen nach Ratingklassen bei https://www.boerse-stuttgart.de/de/toolsundservices/zinsstrukturkurve/zinsstrukturkurve.html).

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Risikoaufschläge nicht statisch sind. In Krisenzeiten weiten sich diese sogenannten Risikospreads, da Investoren die Sicherheit von Staatsanleihen „sicherer Staaten“ suchen. Dadurch steigen die Kurse der Anleihen dieser Staaten. Bei neu emittierten Staatsanleihen müssen diese Staaten aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach ihren Anleihen entsprechend niedrigere Zinsen bieten. Die Kurse der Unternehmensanleihen geraten hingegen unter Druck. Denn Anleger verlangen für das Erwerben dieser als risikobehafteter eingeschätzten Anleihen eine höhere Risikoprämie in Form höherer Zinsen. Es ist in Krisenphasen nicht ungewöhnlich, dass die Kurse der Bundesanleihen und der jeweiligen Indizes steigen (Bund-Future, REXP), während die Kurse der Unternehmensanleihen im Einklang mit den Aktienkursen abstürzen. Nach dieser unmittelbaren Krisenreaktion hängt die weitere Entwicklung der Anleihekurse und damit der Renditen von der Reaktion der Zinsmärkte ab.

Zinsänderungsrisiko

Angenommen der Bund begibt heute eine Anleihe mit fünfjähriger Laufzeit zum Kurs von 100 Prozent und 2,0 Prozent Nominalzins. Steigt nächstes Jahr das Zinsniveau, muss der Bund für eine neue, vergleichbare Anleihe mit dann vierjähriger Laufzeit mehr als 2,0 Prozent Nominalzins bieten, z.B. 3,0 Prozent. Dann will aber niemand mehr die Anleihe, die heute zu 2,0 Prozent Nominalzins begeben wurde, zu 100 Prozent kaufen, da der Anleger mit der 3,0 %-Anleihe eine höhere Rendite erzielen kann. Der Kurs der alten 2,0 %-Anleihe wird dann soweit sinken, bis sich der Gesamtgeldstrom von der Auszahlung für den Kauf der 2,0%-Anleihe und der 3,0%-Anleihe sowie die jährlichen Zinszahlungen und die Rückzahlungsbeträge am Ende der Laufzeit angleichen. Ein Beispiel hierzu finden Sie im Kapitel 2.1 in unserem Bucht Asset Allocation. Steigen die Marktzinsen sinken die Kurse der bereits auf dem Markt befindlichen Anleihen. Sinken hingegen die Marktzinsen, steigen die Kurse. Schlecht ist dies für den Anleger immer dann, wenn er bei steigenden Marktzinsen seine Anleihen vor dem Fälligkeitsdatum verkaufen muss, denn dann wird er einen niedrigeren Kurswert erhalten, der häufig unter dem Rückzahlungsbetrag bei Fälligkeit liegt. Für ein laufendes Portfolio aus Anleihen, die nicht vorzeitig verkauft werden, drückt sich dies als Kursverlust aus, der bei Rückzahlung der Anleihen zum Nennwert verschwindet.

Wechselkursrisiken

Anleihen, die beispielsweise in Dollar erworben werden, unterliegen einem Wechselkursrisiko.  Wird der Dollar zwischen dem Erwerb der Anleihe und ihrer Rückzahlung schwächer, sinkt der Rueckzahlungsbetrag umgerechnet in Euro. Unter Umständen verliert der Anleger nicht nur den Zinsertrag mehrerer Jahre, sondern erleidet auch noch Substanzverluste.

Liquiditätsrisiken

Last but not least muss der Anleiheinvestor auch die Handelbarkeit der Anleihen im Auge haben. Bundesanleihen werden börsentäglich im Umfang vieler Millionen Euro gehandelt, einige Mittelstandsanleihen oder exotische Anleihen manchmal über viele Wochen gar nicht, und wenn, dann zu einem hohen Kursabschlag durch den Käufer.  Der Anleger, der schnell einen Teil der Anleihen zu Geld machen will, kann hier in erhebliche Schwierigkeiten geraten.

Funktion der Anleihen in einem ausgewogenen Portfolio

Zunächst bieten Anleihen einen stetigen Strom von Zinseinnahmen, während Anlageklassen wie Rohstoffe (Gold) ausschließlich Kursgewinne kennen und auch Aktieninvestitionen hauptsächlich auf Kursgewinne zielen. Staatsanleihen und Industrieanleihen hoher Bonität sowie Pfandbriefe können in einem Portfolio, das auch Aktien enthält, eine stabilisierende Wirkung entfalten. Denn üblicherweise schwanken die Renditen von Anleihen weniger stark als die Renditen von Aktien. Ferner verändern sich die Renditen von Aktien und Anleihen nicht gleichgerichtet, sondern weitgehend unabhängig voneinander. Steigen die Aktienkurse, bleiben die Anleihekurse stabil oder sinken leicht. Bei fallenden Aktienkursen gilt außer sehr kurzfristig in Krisen wie September 2008, dass die Anleihekurse stabil bleiben oder leicht steigen.

Man sagt in der Fachsprache, dass Staatsanleihen und Aktien gering negativ und Aktien und Unternehmensanleihen leicht positiv miteinander korreliert sind. Im Kapitel 3.2 unseres Buches “Asset Allocation” zeigen wir die relevanten Korrelationen. Dieser stabilisierende Effekt der Anleihen ist umso stärker, je höher die Bonität des Emittenten ist. Denn die Finanzmärkte gehen davon aus, dass stabile und entwickelte Staaten üblicherweise nicht insolvent werden und damit auch in konjunkturell oder politisch unsicheren Zeiten ihre Schulden vorrangig bedienen. Unternehmensanleihen können hingegen in der Logik der Finanzmärkte viel eher von Schuldenschnitten oder ausgesetzten Zins- und Tilgungszahlungen betroffen sein. Der REXP als Index der Bundesanleihen ist damit in Punkto Krisensicherheit allen Unternehmensanleihen überlegen. Der Preis für diese Absicherung liegt allerdings in dem niedrigeren Zinsertrag.

Welche Möglichkeiten der Investition in Anleihen gibt es?

Drei Varianten gibt es, um in Anleihen zu investieren: Den Erwerb einzelner Anleihen, den Kauf eines Anleiheindex wie den eb.rexx für Bundesanleihen über die Börse in Form eines ETF. Oder man vertraut sein Geld einem Fondsmanager an und erwirbt einen aktiv gemanagten Anleihefonds (Rentenfonds).

Einzelne Anleihen erfordern einiges Management

Beim Erwerb einzelner Anleihen muss der Anleger abwägen, zwischen den Bonitätsrisiken einzelner Emittenten sowie der gewünschten Laufzeit. Es ist vergleichsweise aufwändig, ein Portfolio aus Anleihen zusammenzustellen. So sind einige Anleihen nur in Stückelungen von 10.000 EUR und mehr zu erwerben. Doch wenn man Anleihen mit 1.000 EUR Nennwert erwirbt, sind bei vielen Depotbanken die fixen Handelskosten für Anleihen nicht zu vernachlässigen, die einen guten Teil der Rendite auffressen können. Dafür sind Kursverluste kontrollierbar, wenn man die Anleihen zu 100 Prozent oder günstiger erwirbt und bis zur Endfälligkeit hält. Denn dann erhält der Anleger außer im Insolvenzfall auch den gesamten Rückzahlungsbetrag.

ETF und Fonds sind einfacher zu handhaben, unterliegen aber Kursrisiken

Beim Erwerb eines Rentenfonds oder ETF unterliegt der Wert der Investition den oben beschriebenen Zinsänderungsrisiken. Bei steigenden Zinsen wird der Fonds oder ETF in der Regel an Wert verlieren oder nur gering zulegen, abhängig davon, welcher Mix von Anleihen im Portfolio des Fonds bzw. ETF enthalten sind. Dazu können Sie im Folgeartikel mehr Details lesen. Wichtig sind die Kennzahlen des durchschnittlichen Kupons sowie der Umlaufrendite. Hieraus können Sie Schlüsse auf die zu erwartenden Einnahmen ziehen. Aktiv gemanagte Fonds sind zumeist sehr teuer. Ausgabeaufschläge von 5 Prozent und laufende Kosten von 1 Prozent lassen bei sicheren Papieren die ohnehin niedrigen Renditen weiter abschmelzen. Als Basisinvestition empfehlen sich daher eher ETF.

Details zu den Anleihen, deren Risiken, Funktionen in einem Portfolio und Investitionsmöglichkeiten finden Sie in unserem letzten Buch „Asset Allocation“.

Resümee:

Jedes ausgewogene Portfolio sollte grundsätzlich festverzinsliche Anleihen umfassen. Die Krisenabsicherung folgt über Staatsanleihen stabiler Staaten hoher Bonität. Eine gute und sichere Rendite lässt sich mit einem ausgewogenen Portfolio von Unternehmensanleihen erzielen. Bei kleinen Portfolios empfiehlt sich trotz der Kursrisiken eher ein ETF, um die Handelskosten zu begrenzen.

 

30.07.2013, letztes Update: 6.08.2013

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